Projekte

Hüttenflair statt Alpenkitsch

Wellnesshotel Amrai Suites im Montafon

Gestalterisch der Maisäß-Tradition verbunden: Das neue Hotel „Amrai Suites“ in Schruns wurde von Alpstein Architekten aus dem Allgäu geplant – und vom Montafoner Hüttenbau inspiriert.

von Franziska Horn, 18.04.2024

Wohl dem, der ein Maisäß hat. So heißen die typischen kleinen Alphütten mitsamt ihren Bergweiden im Montafon, einer Vorarlberger Talschaft, die sich rund 40 Kilometer von Bludenz bis zur  Bielerhöhe in der Silvretta zieht. Der Stellenwert dieser alpinen Bauform ist hoch – schon wegen der örtlichen Tradition der Dreistufenlandwirtschaft: Nach langen Wintern in den Höfen in Tallage bringen die Landwirt*innen ihr Vieh im Frühling, das heißt im Mai, auf die mittlere Lage zwischen 1.200 und 1.600 Metern Höhe. Daher der Name Maisäß („Maiensitz“). Der Begriff umfasst ein Stück gerodete Almfläche, die Hütte selbst und eine Scheune – oder mehrere Hütten und Scheunen. Nach rund vier Wochen ziehen Mensch und Tier schließlich für den Hochsommer zur Alpe hinauf. Diese Form der Weidewirtschaft wird noch heute in vielen Alpentälern betrieben.

Beliebte Bauform
Im Gegensatz zu anderen Regionen beruhen im Montafon Gebäudeschnitt, Struktur und Stil der Almhütten auf der alten Bergbauernkultur der Walser: Sie haben ganz eigene Proportionen mit niedrigen Decken und Türen sowie relativ kleinen, viereckigen und weiß gerahmten Schiebefenstern. Häufig werden diese flankiert von grünen Läden, die sich vom durch Sonnenstrahlen dunkel gebrannten Holz abheben. Viele der oft jahrhundertealten historischen Maisäße hatten weder Strom noch fließendes Wasser, dafür ein Plumpsklo und den Wildbach in Laufweite. Mit diesen Faktoren stehen die Hütten für die Kargheit des Arbeitslebens. Sie vermitteln ein ganz eigenes Lebensgefühl, auch wenn heute viele von ihnen luxussaniert und entsprechend teuer zu pachten sind.

Zitierte Traditionen
An diesem regionalen Bautyp orientierte sich das 2020 eröffnete Luxushotel Amrai Suites in Schruns, dem Hauptort des Montafon mit rund 4.000 Einwohner*innen. Direkt am Wildbach Litz gelegen, wurde der Bau von Alpstein Architekten aus dem Allgäu geplant und ausgeführt, einem Büro, das sich auf Tourismusprojekte in alpinen und anderen ländlichen Regionen spezialisiert hat. Mitsamt dem 2022 eröffneten Ergänzungsbau Amrais Bruder nimmt das Hotel den historischen Ortsbezug zu den Hütten gestalterisch ernst: Außen wie innen spielen vielfache Zitate der Maisäß-Kultur und auch der Montafoner Tracht auf die alten Traditionen an. Schon der Name Amrai Suites ist als Verweis auf das Montafon zu sehen: „Amrai“, die Kurzform von „Annemarie“, ist dort ein weitverbreiteter Mädchenname.

Heimelige Hütten
Wie ein dicht gedrängtes Hüttendorf wirkt das Vier-Sterne-Hotel mit seiner gestaffelten, hölzernen Fassade und seiner Dächer-Silhouette auf den ersten Blick. Die Optik der schrägen Dächer setzt sich durch abgehängte Decken bis in die Suiten fort, die an die Heimeligkeit kleiner Berghütten erinnern. Florale Elemente an der Außenfassade, gefräst mit CNC-Maschinen, und stilisierte Blüten auf den Sofas verweisen sowohl auf die Montafoner Tracht als auch auf die üppigen Almwiesen.

Hölzernes Interior
Die Gänge sind schlicht gehalten. Sie zeigen hochwertige Fotografien heimischer Trachten oder Porträts vom Montafoner Steinschaf, einer sehr seltenen Rasse, die seit zwei Jahrzehnten wieder gezüchtet und somit gerettet wird. Umso mehr wurde in die Suiten investiert. Die vorherrschenden Materialien sind Holz, Glas und Stein – ganz wie in alten Zeiten. Heimische Fichte, Kupferelemente und wollige Stoffe bestimmen das Ambiente. Sie sind allesamt in einer harmonischen Palette aus sogenannten Nichtfarben gehalten, die das Augenmerk auf Qualität, Textur und Haptik der verwendeten Materialien lenkt.

Kupferfarbene Akzente
Weil im Montafon, oben am Bartholomäberg oder im nahen Silbertal, jahrhundertelang Bergbau betrieben und Bodenschätze wie Eisen, Kupfer und Silber zu Tage gefördert wurden, schimmern in Erinnerung daran zahlreiche kupferfarbene Elemente im Interieur: Leuchten, Armaturen und das Interior des Kupfrgrill Restaurants greifen das Thema auf. Natürlich orientiert sich auch das Maisäß Spa im dritten Stock von Amrais Bruder am Lokalkolorit: Maisäße erscheinen als stilisiertes Motiv auf Glastüren und die Namen einzelner Abteilungen – „Stolla“, „Bienaschtock“ und „Heubóda“ (für Heubad) – spiegeln den örtlichen Dialekt wider.

Sagenhafter Ausblick
So sagenhaft wie manch alte Alpinfabel, die durch den mystischen Gebirgszug Verwall klingt, ist auch der langgezogene Infinitypool des Hotels namens „Gipfelsee“. Wer rausschwimmt, wird am Ende mit einem spektakulären Panoramablick belohnt: auf imposante Berge wie Golm, Tschaggunser Mittagsspitze, Hochjoch oder Zimba.

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Links

Entwurf

Alpstein Architekten

alpstein-architektur.de

Amrai Suites

www.amrai-suites.at

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