Monolith mit einem Herz aus Neon
Ferienhaus im Nationalpark von one-aftr
Die Natur ist mit den Jahreszeiten dynamischen Transformationsprozessen unterworfen. In einem südkoreanischen Nationalpark haben die Architekten von one-aftr ein Ferienhäuschen gestaltet, das von der herbstlichen Laubfärbung der Bäume und dem monochromen Grau des Berggesteins inspiriert ist. Es friert die Natur wie in einer kondensierten Momentaufnahme ein.
Der Seoraksan-Nationalpark liegt hoch im Norden Südkoreas, nahe der Küste und der Grenze zu Nordkorea. Urlauber*innen besuchen die Gegend vor allem für Wanderungen durch die markanten Felsformationen mit ihren dramatischen Wasserfällen – oder um das Farbspektakel des goldenen Herbsts zu erleben. Als das von den beiden Designern Ryu Ahn und Joon Ma gegründete Studio one-aftr dort mit dem Entwurf eines Ferienhauses beauftragt wurde, war schnell klar, dass das Gebäude ein Echo auf die besondere Natur der Region sein würde. Nicht nur, weil es sich der Auftraggeber Collect House so wünschte, sondern auch, weil es zur Methodik der Gestalter passt, die ein Büro in New York und eines in Seoul führen. „Wir machen uns ein Bild von dem, was uns umgibt, durch eine dokumentierte Beobachtung des täglichen Lebens und durch die Perspektive anderer Professionen“, erzählen die Designer.
Gut verdeckt ist gut versteckt
Die Architektur fügt sich in die Natur ein, als würde das Haus eine Tarnkappe tragen. Der grau-braune Rauputz des monolithischen Quaders scheint vor allem in der Dämmerung zwischen Bäumen und Felsen der Landschaft aufzugehen. In die homogene Fassade haben die Architekten einen visuellen Ankerpunkt integriert: einen kleinen Innenhof, der von einer zurückgesetzten Tür verschlossen wird. Allerdings können die verborgenen Privatbereiche – bestehend aus Outdoor-Lounge und dem sich hinter einem Glasfenster anschließenden Wohnbereich – geöffnet werden. Indem alle innen liegenden Wände in einem Neonorange gestrichen wurden, entsteht ein inszenatorischer Moment, der an Signallichter oder ein Lagerfeuer erinnert. Besonders dann, wenn die Läden geöffnet werden und das warme Licht aus dem Wohnraum von den Wänden reflektiert wird oder die geschlossenen Klappen durch ein indirektes, an der Basis verborgenes Licht erhellt werden, wirkt das Haus wie der geheimnisvoll leuchtende Architektur-Protagonist eines Waldmärchens.
Feueriger Farbcode
Das Thema Orange wird auch im Innenbereich fortgeführt. Die Farbe zitiert den Charakter der Region, die für ihre intensive herbstliche Laubfärbung berühmt ist, sorgt aber auch dafür, dass ein wohnlicher und warmer Kontrast zur kühlen, steinernen Hülle der Architektur entsteht. Das Gebäude nimmt die Gäste durch Farbgestaltung, Layout und Architektur mit einer umarmenden Geste auf. Zur Straße ist die Fassade geschlossen, während zur privaten Gartenseite ein Panoramafenster die Natur in den Raum holt. Wie wichtig den Architekten dieser Ausblick war, bezeugt auch die Möblierung: Das orangefarbene Sofa wurde dem Fenster gegenübergestellt.
Waldbaden auf Koreanisch
Neben kleinen Hofsituationen, die sich aber hinter der Außenmauer vor der Welt verstecken, ist der Grundriss konsequent offen. Mit einer großen Kücheninsel im Zentrum des einzigen Raums bekommt das gemeinschaftliche Kochen den Stellenwert eines sozialen Lagerfeuers, während das Schlafzimmer eine Stufe tiefer liegt und das Bett hinter einer raumtrennenden Regalwand verbirgt. Das Badezimmer ist als abgeschlossener Raum angelegt und mit orangefarbenen Quadratfliesen ausgekleidet, sodass es zum monochromen Farb-Kokon wird. Besonders ausgefallen ist die Badewanne, die als raumschlüssiger Pool am Fenster positioniert ist.
Außer der farblichen Festlegung auf Nuancen zwischen Kürbis und Bernstein ist das Interieur auf Farbentzug. Das liegt auch an der Entscheidung der Architekten, sich der lokalen Materialien zu bedienen – oder sich auf die Ressourcen vor der Tür zu beziehen. So wurde viel mit Sichtbeton gearbeitet, der an die Farbe und Struktur der Bergfelsen erinnert. Und die beim Bau ausgehobenen Findlinge wurden bei der Gartengestaltung recycelt. Statt viel Grün anzupflanzen, legten die Architekten einen Steingarten an, der das Haus in passender Kargheit einrahmt. So hat one-aftr ein Ferienhaus gestaltet, das ein funktionaler Schutzraum ist, in der natürlichen Szenerie aber auch wie eine Landmarke wirkt.